Personalisierte Werbung – praktisch, aber irgendwie auch unheimlich, oder? Denn wie kann es sein, dass viele Online-Anzeigen so passend auf unsere persönlichen Vorlieben zugeschnitten sind? In diesem Beitrag erklären wir, wie personalisierte Werbung funktioniert und welche datenschutzrechtlichen Bedenken sich dahinter verbergen. Dabei werfen wir auch einen Blick auf Vorteile für Konsument:innen. Außerdem erfahren Nutzer:innen, wie sie die Weitergabe ihrer Daten schnell und einfach regulieren können.
Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine neue Jeans. Zum Shoppen fahren Sie in die Innenstadt, und kaum betreten Sie dort ein Geschäft, halten Ihnen die Verkäufer:innen in Sekundenschnelle Hosen entgegen, die genau Ihren Vorstellungen entsprechen: Größe und Farbe stimmen, ebenso wie Marke und die gewünschte nachhaltige Produktionsweise. Dass persönliche Kaufvorlieben in dieser Form innerhalb kürzester Zeit und ohne mündliche Abstimmung erkannt werden, ist ein eher unrealistisches Szenario – zumindest in der analogen Welt. Im digitalen Raum hingegen ist ein solches Werbekonzept schon länger Normalität: Nutzer:innen wird beim Surfen verstärkt Werbung für Produkte eingeblendet, die zu vorher getätigten Suchanfragen passen und die tendenziell ihren Interessen entsprechen. Dieses Konzept der Online-Werbung nennt sich personalisierte Werbung (1).
Wer im Internet unterwegs ist, stößt früher oder später auf Werbung, und zwar in verschiedensten Formen: Online-Werbung erscheint als Banner oder Pop-up, als Post auf Social Media, oder auch als Werbespot auf Videoplattformen und sozialen Netzwerken. Das Besondere an personalisierter Werbung: Die Werbeanzeigen passen nicht unbedingt zum Inhalt einer besuchten Webseite. Stattdessen werden die diversen Online-Werbeflächen für Werbung genutzt, die individuell auf einzelne Nutzer:innen und ihre Interessen abgestimmt ist. Insofern unterscheidet sich personalisierte Werbung von klassischen Werbekonzepten: Werbespots im Fernsehen richten sich z. B. an eine spezifische Zielgruppe, auf die sich Werbetreibende im Vorhinein festlegen – naturgemäß kann in diesem Rahmen nicht der Geschmack einzelner Zuschauer:innen genauestens definiert werden. Für Online-Werbung wiederum können Werbetreibende mitunter detaillierte Informationen über die Kaufvorlieben einzelner Nutzer:innen einholen (2).
In einer Befragung des JFF – Institut für Medienpädagogik gibt ein Großteil der befragten Jugendlichen (12- bis 16 Jahre) an, nicht zu verstehen, welche Mechanismen sich hinter personalisierter Werbung verbergen. Eine Studie der britischen Medienaufsichtsbehörde Ofcom zeigt, dass nur ein Drittel der befragten 12- bis 15-Jährigen bei der Google-Nutzung zwischen Suchergebnissen und Reklamen unterscheiden können.
So funktioniert personalisierte Werbung
Ob beim Recherchieren, Liken oder Swipen – wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt permanent Datenspuren, die viel über persönliche Vorlieben und Interessen aussagen. Diese Spuren werden mittels verschiedener Tracking-Methoden nachverfolgt. Das sind Techniken, die Unternehmen nutzen können, um das Surf-Verhalten von Nutzer:innen auszuwerten und persönliche Informationen für Werbekund:innen bereitzustellen (3).
„Cookies“ zählen zu den bekannteren Tracking-Instrumenten: Bei jedem Website-Besuch speichern die Betreiber verfügbare Informationen über eine:n Nutzer:in als kleine Text-Datei. Diese wird im Browser der Seiten-Besucher:innen hinterlegt. So können die Betreiber die Online-Aktivitäten der User:innen über verschiedene Internetseiten hinweg nachverfolgen. Damit verbunden ist auch ihre Wiedererkennung beim erneuten Besuch einer Website: Der Browser „übergibt“ dabei nämlich das Cookie mit den gesammelten Informationen zurück an diese Internetseite. Für (junge) Nutzer:innen hat dies einige praktische Vorzüge. So müssen sie ihr Passwort nicht jedes Mal neu eingeben, sondern können dieses nach einmaligem Login für weitere Besuche automatisch hinterlegen. Wer ein spannendes Video schaut und zwischendurch auf eine andere Webseite klickt, kann mithilfe der Cookies an genau derselben Stelle weiterschauen. Das gilt auch beim Online-Shopping: Konsument:innen können Produkte in den Warenkorb packen und bis zum endgültigen Kauf unbesorgt neue Seiten aufrufen – der gefüllte Warenkorb wird gespeichert und kann jederzeit wieder aufgerufen werden.
Andererseits heißt das auch: Je mehr Cookies im Browser verbleiben, desto detaillierter sind die Auskünfte über Vorlieben und Interessen einzelner Nutzer:innen (4). Im Kontext von personalisierter Werbung bedeutet das: Wer in seinem Browser verschiedene Online-Shops aufruft und anschließend per Suchmaschine nach Hosen recherchiert, dem wird kurz darauf höchstwahrscheinlich Werbung für Jeans(-Läden) ausgespielt.
Das Tracken persönlicher Daten funktioniert auch geräteübergreifend, etwa dann, wenn User:innen auf ihrem Smartphone und auf ihrem PC mit demselben E-Mail- oder Social Media-Account eingeloggt sind. Wer kurz zuvor Suchanfragen über das Handy getätigt hat, dem kann so kurze Zeit später auf dem Laptop entsprechende Werbung ausgespielt werden. Eine weitere Datenquelle für personalisierte Werbung bilden Informationen, die Nutzer:innen auf ihren Social Media-Profilen preisgeben. Dazu zählen Auskünfte zum Alter, zur Geschlechterzugehörigkeit oder zum Wohnort. Auch Gefällt-mir-Angaben und Abos verraten eine Menge über die Interessen der User:innen (5).
DATEN FÜR PERSONALISIERTE WERBUNG
- Standort
- IP-Adresse
- Suchverläufe
- Website-Besuche und Verweildauer
- App-Nutzungsdaten
- Profil-Angaben und Likes auf Social Media
Auf Basis dieser Daten haben große Tech-Konzerne die Möglichkeit, Benutzer:innen in Interessensgruppen einzuteilen. Anschließend werden die Ergebnisse an Werbetreibende verkauft. Diese nutzen die Datensätze, um die Zielgruppe genauer kennenzulernen und Anzeigen entsprechend zu optimieren. Die Reklame wird dann über Plattformen und Internetseiten gezielt Konsument:innen ausgespielt, deren Interessen mit den Produkteigenschaften übereinstimmen (6). Sportbegeisterten Jugendlichen wird dann z. B. höchstwahrscheinlich keine Werbung für Babynahrung eingeblendet, sondern eher welche für Fußballschuhe.
Wie genau Unternehmen in kürzester Zeit passende Werbung ausspielen können, zeigt das Modell Real-Time-Bidding, kurz RTB. Hierbei werden Online-Werbeflächen in Echtzeit verkauft. Werbetreibende können sich auf den Bildschirmen ihrer Zielgruppen im Vorfeld einen Werbeplatz reservieren. Wenn Nutzer:innen eine Website aufrufen, werden alle abrufbaren Informationen in Sekundenschnelle an diese sogenannten Echtzeit-Marktplätze gesendet. Automatisierte Programme bieten dann im Auftrag der Unternehmen auf die Werbeplätze. Wenn die Website vollständig geladen ist, sehen User:innen bereits personalisierte Werbung. Während dieses Prozesses, so sagen kritische Stimmen, können persönliche Daten mitunter an über 1000 Firmen weitergegeben werden.
Die Daten für personalisierte Werbung, das betont Google als größte Suchmaschine und Anbieter von YouTube, werden aggregiert und anonymisiert weitergegeben. Werbekunden erhalten also keine personenbezogenen Auskünfte wie Name oder (E-Mail-)-Adresse, mit deren Hilfe einzelne Personen identifiziert werden könnten. Warum ist personalisierte Werbung trotzdem mit Vorsicht zu genießen?
Die britische Bildungsinitiative Media Smart UK hat englischsprachige Unterrichtsmaterialien zum Thema Personalisierte Werbung erstellt. Lehrer:innen finden dort unter anderem didaktische Anleitungen sowie passende Arbeitsblätter für Schüler:innen zwischen 11 und 16 Jahren. Die Materialien helfen Heranwachsenden dabei, das Konzept der personalisierten Werbung zu verstehen und einen selbstbestimmten Umgang damit zu finden.
Personalisierte Werbung und Datenschutz
Datenschützer:innen sehen Aspekte der personalisierten Werbung skeptisch. Denn die gesammelten Datensätze enthalten zum Teil sensible Informationen über Nutzer:innen. So ist es z. B. möglich, den Einkommensstatus oder den mentalen Zustand aus Suchverläufen abzuleiten und daraus Interessengruppen zu bilden. Personalisierte Werbeanzeigen greifen also nicht nur Konsum-Vorlieben von User:innen auf, sondern beziehen sich teilweise auch auf privatere Informationen.
Wie intim die Daten sein können, die für personalisierte Werbung genutzt werden, zeigt das Beispiel der Zyklus-Apps: Um ihren Zyklus besser zu verstehen, machen Nutzerinnen darin u. a. Angaben zu ihrem körperlichen und psychischen Zustand. So können die Apps ihnen z. B. den Zeitpunkt ihrer Periode voraussagen. Recherchen der NGO Privacy International zeigen, dass die App-Betreiber diese Daten an ein großes Tech-Unternehmen verkauft haben. Dieses konnte die personalisierte Werbung für Nutzerinnen auf ihren Zyklus und die damit zusammenhängenden Bedürfnissen abstimmen und ihnen auf Social Media ausspielen.
Personalisierte Werbung kann auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben – die gesammelten Daten geben mitunter Aufschluss über politische Einstellungsmuster. In der Folge werden User:innen vor allem solche Wahlwerbespots angezeigt, die ihrer politischen Haltung entsprechen. Besonders wirksam ist dies auf Social Media-Plattformen, wo zusätzlich zu der individualisierten Wahl-Werbung passende (Video-)Beiträge und News ausgespielt werden. Das kann Menschen darin bestärken, dass ihre individuelle Meinung einem objektiven Weltbild entspricht – schließlich werden sie immerzu darin bestätigt. Dieses Phänomen wird auch als „Filterblase“ bezeichnet und hat in der Vergangenheit sogar Wahlergebnisse beeinflusst.
Bedenkenswert ist auch, dass wenige Tech-Konzerne über besonders viele dieser sensiblen Datensätze verfügen. Das verleiht ihnen nicht nur Macht, sondern bedeutet auch: Sollte dort einmal eine Sicherheitslücke bestehen, könnten Unbefugte auf zahllose sensible Daten zugreifen.
In unserem Nachgeschaut-Video zu „Big Data“ erfahren Sie, was hinter „Big Data“ steht und welche Folgen die Verarbeitung persönlicher Daten in unseren verschiedenen Lebensbereichen hat. Das Phänomen der „Filterblasen“ erklärt der SPIEGEL in einem kurzweiligen Video für Kinder und Jugendliche. In diesem Kontext lohnt sich auch ein Blick in unser Nachgeschaut-Video zu Verschwörungserzählungen. In der kurzweiligen Online-Dokumentarserie „Do Not Track“ bereiten Arte, BR und die kanadische Filmbehörde ONF / NFB Themen rund um Daten-Tracking interaktiv auf.
Praktische Vorzüge von personalisierter Werbung
Personalisierte Werbung kann aber auch praktisch sein. Statt bei einer anstehenden Kaufentscheidung lange nach dem passenden Angebot suchen zu müssen, sehen Nutzer:innen im Idealfall automatisch Werbung für geeignete Produkte. Tagtäglich müssen wir durchschnittlich 20.000 Entscheidungen treffen – von der Wahl der Sockenfarbe nach dem Aufstehen bis zur Restaurant-Auswahl am Abend. Personalisierte Werbung kann angesichts dieser Qual der Wahl eine Entscheidungshilfe sein; schließlich sehen User:innen tendenziell mehr Angebote, die für sie relevant und interessant sind – so lautet zumindest das Versprechen.
Auch ohne konkrete Shopping-Ambitionen kann das sinnvoll sein: Auf kostenlosen Video-Plattformen können sich Nutzer:innen Clips oft nur anschauen, wenn sie sich vorher ein oder zwei Werbespots ansehen. Prinzipiell ein Zeitkiller. Aber: Sind diese Spots personalisiert, können sie User:innen im Idealfall sogar unterhalten.
Außerdem bietet personalisierte Werbung die Möglichkeit, Neues zu entdecken. Schließlich wird nicht nur für Produkte geworben, sondern auch für Musiker:innen, Konzerte, Kinofilme etc., die laut Algorithmen dem Geschmack entsprechen. So können Nutzer:innen z. B. neue Künstler:innen und Unterhaltungsangebote entdecken, auf die sie sonst nicht gestoßen wären.
Wie personalisierte Werbung funktioniert, zeigen wir auch in unserem Nachgeschaut-Video zu personalisierter Werbung – kompakt und einfach erklärt.
Fazit
Personalisierte Werbung kann von zwei Seiten betrachtet werden: Einerseits können sich Nutzer:innen von interessensbezogenen Werbeangeboten abgeholt und womöglich sogar gut unterhalten fühlen. Außerdem stoßen sie so womöglich auf neue Unterhaltungsformate und spannende Angebote. Andererseits stellt sich hier die Frage, ob Anzeigen, die stets auf den eigenen Geschmack abgestimmt sind, womöglich voreilige Kaufentscheidungen auslösen – gerade bei jungen Konsument:innen. Personalisierte Werbung kann also praktisch sein. Aber das Konzept hat auch einen Preis, denn Nutzer:innen zahlen dafür mit ihren persönlichen Daten.
Umso wichtiger ist es, die Mechanismen von personalisierter Werbung zu erkennen und zu hinterfragen. Und: Es gibt Möglichkeiten, die Weitergabe persönlicher Daten zu regulieren. Im folgenden Abschnitt zeigen wir, wie das geht.
Wie Nutzer:innen ihre Daten kontrollieren
1) Nutzer:innen können regelmäßig ihren Browser-Verlauf und darin enthaltene Cookies löschen. Der schnellste Weg dorthin ist die Tastenkombination Strg+Shift+Entf. Außerdem empfiehlt sich ein genauer Blick auf die Cookie-Einstellungsboxen, die bei jedem ersten Aufruf einer Website erscheinen. Statt aus Bequemlichkeit auf „Alle akzeptieren“ zu klicken, überlegen Sie, ob Sie mit der jeweiligen Seite Daten teilen möchten, oder nicht. Hierbei gibt es meist die Möglichkeit, allein die „essenziellen“ oder „notwendigen“ Cookies auszuwählen.
2) Verbraucherschützer:innen empfehlen, verschiedene Browser und Suchmaschinen zu nutzen und Dienste wie E-Mail, Kalender und Kontakte bei verschiedenen Anbietern in Anspruch zu nehmen. Auf diese Weise wird die Datenweitergabe zwar nicht verhindert, aber die Erstellung eines detaillierteren Daten-Profils erschwert – schließlich verteilen sich die Daten über verschiedene Anbieter.
3) Viele Online-Werbeanzeigen enthalten das „AdChoices-Symbol“, ein kleines blaues Dreieck. Wer darauf klickt, wird automatisch zu Konto- und Privatsphäre-Einstellungen weitergeleitet. Dort sehen Nutzer:innen, warum ihnen diese Werbung angezeigt wird und können entsprechende Einstellungen anpassen oder sogar deaktivieren. Details zu dieser Funktion gibt es im Video von Media Smart UK „How to manage your online advert experience“ (englische Sprache).
4) Lohnenswert ist auch der Blick in die Privatsphäre-Einstellungen der Social Media-Profile. Dort wird ersichtlich, welche persönlichen Daten und Aktivitäten die Plattformen für Werbeanzeigen nutzen. Diese können Nutzer:innen eigenhändig löschen.
5) Wer die eigene Filterblase zum Platzen bringen möchte, könnte z. B. Profile von Menschen oder Parteien besuchen, die eine andere (politische) Haltung vertreten. Auch der Klick auf Beiträge und News, die neue Themenfelder behandeln, lohnt sich. Wichtig ist dabei, zwischen seriösen Nachrichtenquellen und Fake News zu unterscheiden.
Quellen
1) Fuchs, C. (2010): Facebook, Web 2.0 und ökonomische Überwachung. Erschienen in: DuD – Datenschutz und Datensicherheit, Ausgabe 34, S. 453–458. Wiesbaden: Gabler.
2) Schweiger, G.; Schrattenecker, G. (2016): Werbung. Einführung in die Markt- und Markenkommunikation. 9. Auflage. Stuttgart: UTB.
3) Fuchs, C. (2010): Facebook, Web 2.0 und ökonomische Überwachung. Erschienen in: DuD – Datenschutz und Datensicherheit, Ausgabe 34, S. 453–458. Wiesbaden: Gabler.
4) Stiftung Warentest (2012): Cookies – die wichtigsten Fragen. Online-Quelle: https://www.test.de/Internet-Cookies-die-wichtigsten-Fragen-4343964-0/ . Letzter Zugriff: 18.01.2022
5) Cookiebot by Usercentrics (2020): Tracking-Cookies und die DSGVO. Online-Quelle: https://www.cookiebot.com/de/tracking-cookies-dsgvo/ . Letzter Zugriff: 18.01.2022
6) Fuchs, C. (2010): Facebook, Web 2.0 und ökonomische Überwachung. Erschienen in: DuD – Datenschutz und Datensicherheit, Ausgabe 34, S. 453–458. Wiesbaden: Gabler.