Claudia Wierz ist Medienpädagogin, Medienwissenschaftlerin und seit 2009 Geschäftsführerin von kontextmedien. Als medienpädagogische Trainerin arbeitet sie im Auftrag unterschiedlicher Bildungseinrichtungen und Ministerien. In Zusammenarbeit mit Media Smart führte sie Praxis-Workshops zum Thema Werbung an Schulen durch.
Media Smart e. V.: Frau Wierz, Sie zeigen Lehrkräften in Fortbildungen, wie Sie das Thema Werbung im Unterricht behandeln können. Sie führen aber auch immer wieder Praxisprojekte zum Thema Werbung mit Schüler*innen durch. Wer kennt sich besser mit Werbung aus – die Erwachsenen oder die Kinder?
Wierz: Kommt man mit Kindern ins Gespräch, erweisen sie sich als echte Werbeexperten. Sie können die Musik von Fernsehwerbung mitsingen, kennen die verschiedensten Werbefiguren und Werbeträger und können die Geschichte in ihrem Lieblingsspot nachspielen. Kinder haben einen ganz anderen Blick auf Werbung als Erwachsene. Kinder nehmen Fernsehwerbung eher als Geschichten wahr. Sie haben Spaß an Werbung und sind weniger genervt von den Werbeunterbrechungen als Erwachsene. Bittet man Kinder im Grundschulalter auf ihrem Weg zur Schule Werbung zu fotografieren, merkt man, dass sie einen guten Blick für Werbung in ihrem Umfeld haben und dass sie Lust haben, sich auch kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Erwachsenen können sie dabei gut begleiten. Die sich verändernde Werbung im Internet stellt sowohl Kinder als auch Erwachsene vor Herausforderungen.
Media Smart e. V.: Was nehmen die Lehrer*innen aus Ihren Workshops mit? Welche Rückmeldungen bekommen Sie?
Wierz: Im Rahmen der Workshops lernen die Lehrer Unterrichtsideen, Methoden und Materialien kennen. Ziel der Workshops ist, mit einer eigenen Unterrichtsidee für die Klasse und den entsprechenden Materialien in der Tasche wieder in die Schule zurückzukehren. Schulen haben neben vielen anderen Aufgaben auch die Aufgabe Medienkompetenz zu fördern. Das Thema Werbung ist ein tolles Beispiel, wie sich der Unterrichtsstoff der Fächer und die Förderung von Medienkompetenz verknüpfen lassen. Das Thema Werbung spricht auch die Lehrer an, die Lust haben eine Unterrichtseinheit zum Thema Medien zu gestalten, sich aber als nicht so technikaffin bezeichnen würden. Im Rahmen der Workshops bekomme ich viele Impulse, wie das Thema fächerübergreifend (Deutsch, Sachkunde, Kunst) umgesetzt werden kann. Letztens durfte ich zwei Schulen begleiten (Grundschule und Gesamtschule), die ein gemeinsames Medienkonzept erstellt haben. Das Thema Werbung wurde von der 3. Klasse (Werbung in unserer Umgebung, Welche Werbeträger gibt es?) über die 7. Klasse (Werbung im Internet) bis in die 10. Klasse (virales Marketing, Erstellung eines eigenen Werbespots) immer wieder aufgegriffen. Das hat mir gut gefallen.
Media Smart e. V.: Werbung ist ein fester Bestandteil unserer Medienwelt. Warum ist Werbekompetenzförderung aus Ihrer Sicht wichtig?
Wierz: Sie sagen es! Werbung durchdringt einfach unglaublich viele Lebensbereiche. Kinder und Jugendliche sollten heute die Chance bekommen sich damit auseinanderzusetzen. Wo taucht Werbung überall auf? Welchen Gestaltungsmitteln bedient sie sich? Welche Wirkung hat das? Warum gibt es überhaupt Werbung? Wie verändert sich Werbung? Wenn Kinder und Jugendliche gelernt haben Werbung kritisch zu reflektieren, dann können sie das auch auf andere Themen übertragen. Werbekompetenz ist ein wichtiger und ein sehr dankbarer Bestandteil der Medienkompetenzförderung.
Media Smart e. V.: Sie sind schon seit vielen Jahren als medienpädagogische Trainerin an Schulen tätig. Wie hat sich Ihr Arbeitsfeld verändert?
Wierz: Mein Arbeitsfeld ist in den letzten Jahren umfangreicher und dynamischer geworden. Mobiles Internet und Smartphone haben viele neue Themenfelder, Fragestellungen, Chancen und Herausforderungen eröffnet. Die Schulen müssen sich heute dazu positionieren und ihren Weg finden. Vor zwei Jahren lag der Schwerpunkt meiner Arbeit in der Durchführung von Multiplikatoren-Fortbildungen. Heute werde ich z.B. auch als Prozessbegleitung eingeladen, um die Schule bei der Erstellung eines Medienkonzeptes zu unterstützen. Ich brauche heute aber auch mehr Zeit, um auf dem neusten Stand zu bleiben und eine Haltung zu entwickeln. Auf den Austausch mit meinem Kollegen aus den verschiedenen Bundesländern vor allem über Soziale Netzwerke möchte ich nicht mehr verzichten.
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