Die Diplom-Pädagogin Susanne Roboom ist Vorsitzende und Bildungsreferentin der Bildungseinrichtung Blickwechsel e. V. Sie befasst sich mit dem Einsatz von Medien in Kitas und Grundschulen sowie mit medienpädagogischer Elternarbeit und der Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften. Zu diesen Themen verfasst sie zusätzlich Fachartikel und Fachbücher und erstellt Arbeitsmaterialien für Kindergärten und Grundschulen. Wir haben mit Ihr über die Medienkompetenzvermittlung in Kitas gesprochen.
Media Smart e. V.: Frau Roboom, Sie befassen sich mit Medienkompetenzförderung in Kitas. Wo entstehen bei Kleinkindern die ersten Berührungspunkte mit Medien?
Roboom: Den ersten Kontakt mit Medien haben Kinder in der Familie. Zuhause werden erste Weichen für eine verantwortungsvolle Mediennutzung gestellt. Die Kita ist das nächste, wichtige Glied in der Bildungskette. Hier können Kinder und ihre Eltern unterstützt werden, gut mit Medien und in Medienwelten aufzuwachsen und zu leben. Kinder haben ein Recht auf Medienbildung und zugleich auf Fürsorge. Die Kita schafft die Möglichkeit, dass Kinder (und Eltern) Medien sinnvoll, kreativ, kritisch, altersgerecht und selbstbestimmt nutzen können.
Media Smart e. V.: Wie beobachten Sie die Mediennutzung von Kindergartenkindern?
Roboom: Sie wachsen heutzutage ganz selbstverständlich mit Medien auf und gehen ganz unbefangen und interessiert mit ihnen um. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch alles verarbeiten und verdauen können, was sie sehen, hören, spielen und erleben. Kinder sind nicht automatisch von Geburt an medienkompetent. Es kann nicht mehr darum gehen zu diskutieren, ob Kinder Medien nutzen dürfen, sondern wie der Medienumgang von Kindern gestaltet werden sollte.
Media Smart e. V.: Welche Rolle spielt die Medienerziehung bei der Entwicklung von Kindern?
Roboom: Kinder haben Spaß an Medien, sie sind fasziniert von bewegten Bildern und diese Faszination kann ein Motor für Lernprozesse sein. Durch das Ausprobieren verschiedener Medien lernen Kinder diese als kreatives Gestaltungs- und Ausdrucksmittel kennen und nicht nur als „Daddelgerät“ zum Zeitvertreib. So erfahren sie auch viel darüber, wie Medien gemacht werden und wie sich unter anderem durch Einstellung, Perspektive und Nachbearbeitung Wirkung erzeugen lässt – sie entwickeln einen kritischen Blick auf Medien.
Media Smart e. V.: Welche Mediengeräte gibt es in Kitas und welche Potenziale verbergen sich noch in diesen?
Roboom: Fast alle Kitas haben inzwischen einen digitalen Fotoapparat mit Videofunktion, um die Lern- und Entwicklungsprozesse der Kinder zu dokumentieren. Diese Kamera lässt sich auch als Werkzeug in pädagogischen Prozessen nutzen, ebenso wie das Mikrofon, das auch in vielen Kitas vorhanden ist. Wir beobachten, dass inzwischen zunehmend auch Tablets in die Kitas Einzug halten. Dadurch, dass es Fotoapparat, Videokamera, Mikrofon und je nach installierten Apps Bücher, Spiele, Filme und Geschichten vereint, ist es sozusagen ein „digitaler Alleskönner“.
Media Smart e. V.: Wie können diese „Medienpotenziale“ noch weiter ausgeschöpft werden?
Roboom: Die Kinder können mit dem Tablet oder der Kamera z.B. selbst Erlebnisse und Prozesse dokumentieren. Sie können sich aber auch kreativ austoben, indem sie Fotorätsel knipsen, Geräuschrätsel aufnehmen, eigene Fotogeschichten, Hörspiele oder Trickfilme erstellen. Aber auch Situationen wie Interviews führen und Projektergebnisse präsentieren bieten Kindern eine Chance sich intensiv mit Medien auseinanderzusetzen.
Media Smart e. V.: Wie steht es um die Nachfrage der Erzieher*innen nach Unterstützung zur Medienkompetenzförderung?
Roboom: Es gibt Fachkräfte, die gezielt nach Unterstützung suchen. Gleichzeitig gibt es immer noch viele, die sich der Herausforderung einer frühkindlichen Medienerziehung nicht stellen oder sich überfordert fühlen und nicht wissen, wie sie diese Aufgabe angehen sollen. Seit Jahren belegen Studien immer wieder, dass die medienpädagogische Kompetenz der Fachkräfte, wie auch die technische Ausstattung der Kitas, ausbaufähig ist.
Media Smart e. V.: Welche Konsequenzen ergeben sich durch fehlende Medienkompetenzvermittlung?
Roboom: Diesen Themenbereich im Kindergartenalltag auszuklammern, bedeutet, die Chancen, die in der kreativen und bewussten Nutzung von Medien und Medieninhalten stecken, ungenutzt zu lassen.
Media Smart e. V.: Wie kann man den Defiziten auf Bildungsebene entgegenwirken?
Roboom: Medienbildung muss als Querschnittsaufgabe in alle Bildungspläne und von Anfang an in die Bildungskette integriert werden. Dabei sind berufsbegleitende Beratungsangebote, die adäquate Konzepte, Methoden und Materialien vermitteln, notwendig. Die technische Ausstattung für Kitas und Grundschulen muss verbessert und der technische Support sichergestellt werden.
Media Smart e. V.: Danke für das tolle Gespräch, Frau Roboom!
Roboom: Das habe ich gerne gemacht.
Blickwechsel e. V.
Der Blickwechsel e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit über 25 Jahren für Medienbildung engagiert. Der Verein bietet medienpädagogische Fortbildungen, Projekte und Elterninformationsveranstaltungen an. Weitere zentrale Aufgaben sind die Konzeption von Arbeitsmaterialien für pädagogische Fachkräfte, methodische Anregungen auf der Vereins-Website, hilfreiche Materialien, Literaturempfehlungen und Surftipps rund um den kreativen, bildungsförderlichen Einsatz von Medien und die familiäre Medienerziehung.
Weiterführende Links und Anregungen
Literatur: Mit Medien kompetent und kreativ um- gehen. Basiswissen & Praxisanregungen. Beltz-Verlag, 2017: https://bit.ly/2f7Ti9P
Online-Angebot zur Medienbildung für Kitas und Grundschulen: https://bit.ly/2L0UUDS
Angebot für pädagogische Fachkräfte: https://bit.ly/2uplOuP
Angebote (Fortbildungen, Elternabende, Pro- jekte, Tagungen) Blickwechsel: https://bit.ly/2uCYuZR
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