Brigitte Bayer ist Expertin für Werbewirkungsforschung. Sie arbeitet seit 2012 bei der Mediengruppe RTL. Wir haben mit ihr unter anderem über Geschenkwünsche von Kindern und die Wahrnehmung von Werbung für Kinder gesprochen.
Media Smart e. V.: Weihnachten steht vor der Tür. Das ist doch die Zeit der Geschenke, oder nicht?
Bayer: Schenksaison für Kinder ist von Januar bis Dezember. Über das Jahr hinweg gibt es zahlreiche Schenkanlässe – vom grundlosen Überraschungsgeschenk, über Geschenke für gute Schulnoten bis hin zu Trostgeschenken, z.B. wenn es den lieben Kleinen mal schlecht geht. So werden im Durchschnitt etwa ein Viertel des gesamten Geschenk-Budgets für Kinder zu Weihnachten ausgegeben. Sicher, Weihnachten ist der wichtigste emotionale Schenk-Anlass der Deutschen. Aber der Großteil der Geschenke wird im Rest des Jahres getätigt.
Media Smart e. V.: Woher wissen Eltern, was Kinder sich wünschen?
Bayer: Auch Kinderwünsche manifestieren sich früh. Kinder äußern das ganze Jahr über immer wieder Interesse an Dingen, die sie gerne haben wollen. Kleinere Anschaffungen erledigen die Eltern dann häufig spontan, größere werden für bestimmte Anlässe aufgespart – wie z.B. zu Weihnachten und zum Geburtstag.
Media Smart e. V.: Welchen Stellenwert nimmt Werbung in der Weihnachtszeit ein?
Bayer: Fernsehspots zur Weihnachtszeit haben eine Doppelrolle: einerseits sind sie emotionale Mitgestalter, andererseits geben sie konkrete Hinweise und Hilfestellung für die Auswahl der Geschenke. Vorweihnachtszeit ist von einer wachsenden Erwartung geprägt und gerade TV-Werbung kann dezent auf Weihnachten einstimmen, indem weihnachtliche Symbole und Figuren verwendet werden oder eine weihnachtliche Atmosphäre verbreitet wird. Ein Spot zur Weihnachtszeit kann aber auch den Wunsch der Kinder nochmals bestätigen und auch helfen, die Eltern auf das gewünschte Produkt aufmerksam zu machen. Man beachtet, auf welche Werbung das Kind reagiert und welche Werbung ein altersgerechtes Kind zeigt. Idealerweise nutzt ein Spot zur Weihnachtszeit die gleichen gestalterischen Elemente, die erfolgreiche Spots auch zu anderen Jahreszeiten anwenden: Storytelling, Musik und Humor, Phantasiewelten sowie das Vorstellen von konkreten Spielmöglichkeiten.
Media Smart e. V.: Worauf achten Kinder nach Ihrer Erfahrung besonders bei Werbung?
Bayer: Werbung hat eine strukturierende Funktion beim TV-Konsum, sie soll sich deutlich von üblichen Programmumfeldern abgrenzen. Werbung soll Fantasie anregen, muss aber auch einen Alltagsbezug behalten, indem sie z.B. konkrete Spielideen liefert. Besonders Spots mit eingängiger Musik und mitsingbaren Texten und einer Handlung, die zum Nachahmen einlädt, können Kinder gut involvieren. Kinder suchen nach Anknüpfungsbildern zu ihren bisherigen Erfahrungen. Daher sollte Werbung immer auch relevante Themenfelder der Kinder aufgreifen. Wir helfen unseren Kunden mit unserer Forschung, indem wir ihnen alterstypische Lebenssituationen vorstellen und sie unterstützen, Spots mit einer kindgerechten Ästhetik zu entwickeln, die für die Kinder der jeweiligen Entwicklungsstufe relevant und gleichzeitig verständlich sind.
Media Smart e. V.: Was mögen Kinder gar nicht an Werbung?
Bayer: Wenn ein Spot zu viele Botschaften kommuniziert und eine hohe Informationsdichte hat, wenn sich Bild und Tonspur sehr unterscheiden und ein Spot sehr kurz ist oder viele Bildschnitte aufweist, dann kann das ein Kind überfordern. Unsere Forschung zeigt auch, dass Kinder häufig Probleme mit dem Verständnis von Anglizismen oder schwierigen Wörtern haben.
Media Smart e. V.: Welche Bedeutung haben Marken für Kinder?
Bayer: Marken-Know-How bildet sich schon in sehr frühen Jahren aus. Bei Kindern ist die Markenwahrnehmung eng an ihre Entwicklung gekoppelt. In jeder Entwicklungsphase werden von den Kids neue Marken entdeckt. Diese übernehmen dann je nach Alter unterschiedliche Funktionen. Mit Marken können Kinder eine Dazugehörigkeit nach außen demonstrieren (Integration). So zeigt es z.B. mit einem Scout Schulranzen, dass es nun ein Schulkind ist. Gleichzeitig kann es mit Marken seine Individualisierung unterstützen und seine Besonderheit darstellen. Marken helfen also, die eigene Position innerhalb einer Gruppe zu definieren, sie können aber auch Ziele für die persönliche Entwicklung vermitteln.
Media Smart e. V.: Gibt es aus Ihrer Sicht besondere Herausforderungen, denen Pädagog*innen und Eltern im Hinblick auf die Vermittlung von Medienkompetenz bei Heranwachsenden gegenüberstehen?
Bayer: Es ist wichtig, dass Eltern Kinder beim Einstieg in die Internetnutzung begleiten und Medienkompetenz gemeinsam gelernt wird. Kindersuchmaschinen wie z.B. fragFINN oder Blinde Kuh sowie das Angebot guter Kinderseiten kann Kinder vor der Konfrontation mit entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten schützen. Auch Medienverantwortliche haben die Pflicht, Eltern und Erziehende zu unterstützen, indem sie über kindgerechte Seiten und Angebote informieren und sie für Risiken und Gefahren im Internet sensibilisieren. Für Internetinformationen, Ratschläge und praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Kinder gelten dabei die gleichen Richtlinien wie für Werbung. Sie sollten leicht verständlich und unterhaltsam sein und die Bedürfnisse und Erwartungen der jeweiligen Altersklassen berücksichtigen.
Media Smart e. V.: Vielen Dank für das Interview, Frau Bayer.
Bayer: Sehr gerne.
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